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Montag, 26. Februar 2007
Karneval und Krankenhaus


Anfang Februar sprach der Chirurg meines Vertrauens:
"Wie stehen Sie eigentlich zu Karneval?"
Ich gab eine kurze Zusammenfassung meiner Karnevals-Antipathie und der Skalpellakrobat beschloß, am Fettdonnerstag, auch Weiberfastnacht genannt, einen weiteren Versuch zu unternehmen, das Loch in meinem Bein zu stopfen.

Mein Umfeld drückte halb Verständnis, halb Mitleid aus, ich jedoch war froh, vor dem Karneval in die steril gesittete Krankenhaus-Welt entfliehen zu können und somit dem Chaos ein weiteres Jahr zu enkommen, auch wenn der Grund nicht der tollste war.
Allerdings hatte ich nicht mit der Feierfreude der Krankenhausbelegschaft gerechnet.

Mit Koffer und Strickzeug betrat ich so am Mittwoch vor den hohen Feiertagen die Station und prallte zurück, als mir ein Flur voller Girlanden, Luftschlangen, Ballons, Wimpel und Clowns-Masken entgegen strahlte. Ähmmm...?!
Nun gut, das Zimmer selber war Karnevals-freie Zone und ich war halbwegs beruhigt.

Weitere Zweifel an meiner Entscheidung bekam ich allerdings, als der Anästhesist im Vorgespräch meinte: "... und wundern sie sich nicht, wenn es morgen da etwas wild abgeht! Die OP-Belegschaft ist für ihre Feierfreude berüchtigt!" Ich grummelte nur ein "Wehe, ich wache mit einer roten Nase wieder auf!" und bekam erste Zuckungen an einem Auge.

Dann kam Fettdonnerstag und somit der Tag von OP "Karsten" (ich führe einfach die Namensgebung vom letzten Jahr weiter). Ich wachte morgens in meinem Krankenhausbett auf, blickte in die Gesichter von Charlie Chaplin und eines Pirates und dachte zum ersten mal vor einer Operation an Flucht. Auf dem Weg zum OP-Saal begleitete mich laute Karnevalsmusik und ich bereute, daß ich wegen Unverträglichkeit keine Praemedikation nehmen kann. Jetzt so ein bißchen Duselschlaf wäre schon nett gewesen. So mußte ich nun alles bei vollem Bewußtsein ertragen.
Zum Glück war der OP-Vorbereitungsraum eine Oase der Ruhe. Ich wies noch einmal darauf hin, daß ich überzeugter Anti-Karnevalist sei und man diese Tatsache bitte beachten möge. Der Lieblingsmann hatte nämlich schon einen "ich komm dann und mal Dir eine rote Nase"-Besuch im OP-Bereich, der direkt neben seiner Station liegt, angekündigt. Der Pfleger zeigte Verständnis und outete sich ebenfalls als Nicht-Jeck, sodaß wir in trauter Einheit über den Rest des OP-Teams den Kopf schütteln konnten, bevor ich, begleitet von den Alaaf-Schreien auf dem Krankenhaus-Vorplatz, die in den OP-Saal schallten, einschlief.

Ein paar Stunden später erwachte ich in meinem Zimmer von lautem Gesang und Alaaf-Schreien. Auf dem Flur gab es Besuch von einer Karnevalsgesellschaft! Ich sehnte mich in die Narkose zurück, tastete nach dem Handspiegel, den ich aus alter Erfahrung immer greifbar habe (nichts ist peinlicher, als wenn man bei der Visite noch Marmeladen-Reste am Mund hat!) und kontrollierte mein Aussehen. Keine rote Nase! Kein wie auch immer geartetes karnevalistisches Kunstwerk in meinem Gesicht! Ich war beruhigt, lehnte mich zurück, nur um 10 Minuten später in die Gesichter von Biene Maja und eines Clowns zu schauen (die Schwestern von der Spätschicht!). Ich stöhnte nur ein "Man reiche mir bitte bewußtseinserweiternde Medikamente in hohen Dosen!" und zog mir grinsend das Kissen über den Kopf.

Die Nachtschwester war dann erfreulicherweise einfach nur weiß gekleidet und zeigte keine karnevalistischen Tendenzen. Ich nahm an, daß der Spuk am nächsten Morgen vorbei sein würde und es nur am Fettdonnerstag so wild zuginge... Pustekuchen!

Freitag, Samstag, Sonntag, Montag, Dienstag... jeden Tag ein anderes karnevalistisches Event im und um das Krankenhaus herum und jeden Tag verschiedene Kostüme bei den Schwestern und Pflegern.
Ich fügte mich in mein Schicksal, denn eine Flucht war schier unmöglich, da ich auf nur einem gesunden Bein und zwei Unterarmgestützen nicht die Schnellste bin. Ja, ich gebe sogar zu, mit gewisser Spannung die Schichtwechsel des Pflegepersonals erwartet zu haben, denn deren Kostümvielfalt war schlichtweg beeindruckend.

Nach Aschermittwoch entspannte sich die Lage wieder. Die Girlanden auf den Fluren verschwanden, das Pflegepersonal trug wieder weiß und die Musik verstummte. Und was war? Mir, dem Nicht-Karnevalisten fehlte das lustige und lockere Umfeld fast ein wenig. Aber gut, sieben Tage Karneval sind genug.

Jetzt habe ich also ein weiteres Stück Flickwerk auf dem Bein und bin mal wieder zur Immobilität verurteilt, bis der Flicken angewachsen ist oder - wie seine Vorgänger - die Flucht ergreift. Zur Zeit schaut alles gut aus und der Meister der Skalpelle grunzt beim Verbandwechsel jedes Mal zufriedener. Ich übe mich noch in Zurückhaltung und freue mich lieber noch nicht zu früh...! Aber ein bißchen Optimismus kann ja nicht schaden ;-)!

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